Das hier erstmals in einer Edition vorgelegte Konzert für Viola in Es-Dur ist in zwei Stimmenabschriften überliefert. Als Autor wird in der offenbar früher entstandenen Abschrift (SA 2685) der Cellist Markus Heinrich Grauel angegeben. Bei der Herstellung der zweiten Abschrift (SA 2725), die wahrscheinlich einige Jahrzehnte später erfolgte, und der die frühere Abschrift möglicherweise als Vorlage diente, wurde der Autorname scheinbar vorsätzlich „korrigiert“. Das Konzert selbst könnte in den 1760er Jahren entstanden sein.
Im Vergleich mit den anderen beiden Grauel-Violakonzerten fällt zunächst auf, dass der Gesamtumfang beim Konzert Nr. 1 etwas größer ausfällt. Auch übersteigt er den üblichen zeitlichen Rahmen, wonach ein Solo-Konzert mit 15 Minuten bemessen war. Als der Musikgelehrte Charles Burney (1726–1814) auf seiner Reise durch Europa 1772 auch Berlin besucht, nimmt er daran Anstoß: „Das ist hier der Fehler aller Kompositionen, in welchen ein jeder Satz so lange gedehnt ist, daß sie niemals die Aufmerksamkeit bis ans Ende unterhalten können.“
In jedem Fall erscheint dieses Konzert geeignet, den Horizont des überschaubaren Viola-Repertoires des 18. Jahrhunderts zu erweitern und mit seinen spieltechnischen Herausforderungen vielleicht ein darüber hinausgehendes Interesse am musikalischen Geschmack der friderizianischen Zeit zu wecken.